Handarbeiten - stricken, häkeln, weben
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Stricken, Filzen, weben

« Die Wollverarbeitung in unterschiedlichen Kulturen »

Erst Fell und Leder, dann Garne aus Pflanzen und Tierhaaren – seit 130 000 Jahren nutzt die Menschheit Kleidung. Sie soll primär den Körper bedecken, vor Nässe, Kälte und Verletzungen schützen. Kleidung sendet aber auch den Mitmenschen Informationen über Stand, Wohlstand und die Weltanschauung ihres Trägers. Für eine individuelle Kleidungsgestaltung haben sich Filzen, Weben, Häkeln oder Stricken als Methoden der Wollverarbeitung weltweit über Jahrtausende entwickelt.

Woher kommt das Filzen?

Beim Nassfilzen quellen Wollfäden in warmem Seifenwasser auf. Durch Bewegung und Druck verbinden sich die äußeren Schuppen der Tierhaare zu einem sehr festen, nicht gewebten Stoff. Beim Trockenfilzen wird die Wolle mit Hilfe von speziellen Filznadeln solange durchstochen und die Wollfasern kreuz und quer verwirkt, bis der ebenfalls feste, sogenannte Nadelfilz entsteht.

Geschichte

Da das Gewebe biologisch abbaubar ist, gibt es keine Fundstücke, die eine genaue Bestimmung der Entstehungszeit des Filzens wissenschaftlich belastbar zulassen.

Da man die meisten erhaltenen Filzstücke im asiatischen Raum ausgrub, geht man davon aus, dass die Wiege dieser Art Wolle zu verarbeiten in Tibet und der Mongolei stand. Vermutlich über Karawanen gelangte das Wissen rund ums Filzen dann nach China, wo man es bis weit ins 19. Jahrhundert hinein zur Wollverarbeitung einsetzte.

Trockenfilzen mit einer Nadel
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Auch in Europa entwickelte sich bereits etwa ab 1500 vor Christus eine intensive Nutzung der Filztechnik, was Relikte von Filzmützen aus Norddeutschland, Dänemark und dem Mittelmeerraum belegen. Im Mittelalter hatte in Deutschland das Hutmacherhandwerk, das neben Hüten auch Socken und Kleidungsstücke aus Filz herstellte, seine Blütezeit.

Nachdem man ab dem 18. Jahrhundert Kleidungsstücke und Decken überwiegend industriell herstellte, verlor diese Art Wolle zu verarbeiten und damit der Filz als Grundstoff für Kleidung an Bedeutung. Heute verarbeitet man Filzstoffe noch in der Trachtenmode. Im Rahmen der „back-to-the-roots“-Philosophie gehört Kleidung aus Filz heute wieder zum gefragten Angebot von Kunsthandwerkern. Da Filzen eine recht einfache Wollverarbeitung ist, eignet sie sich, um schon Vorschulkindern den Rohstoff Wolle näher zu bringen.

Was kann man mit Filzen herstellen?

Es gibt Nassfilzen und Trockenfilzen. Aus beiden Varianten lässt sich viel herstellen. Ganz klassisch fallen einem sicherlich schöne warme Filzschuhe ein sowie die typischen Filzhüte der Trachtenkleidung ein. Auch für Behausungen nutzte man in früheren Zeiten das Filzen.

Heutzutage kann man dadurch außerdem Dekoartikel oder Wohnaccessoires herstellen: Kleine Figuren aus Filz erfreuen Groß und Klein. Sitzauflagen oder Teppiche aus Filz sehen nicht nur gut aus, sondern wirken auch sehr wärmend.

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Woher kommt das Weben?

Zum Weben benötigt man zwei Systeme von Fäden. Die Kettfäden verlaufen senkrecht und dienen als sogenannte Träger. Die Schussfäden zieht man waagerecht über die gesamte Breite durch die Kettfäden zu einem im rechten Winkel gekreuzten Gewebe ein.

Geschichte

Entstanden in Vorderasien, trug man das Weben als Art Wolle zu verarbeiten weiter nach Asien und ins östliche Afrika. Wollkleidung aus Alpakawolle beziehungsweise dem Haar von Bergziegen ist seit 2500 vor Christus auch in Peru und in Nordamerika bekannt.

Zum Weben entwickelten die Menschen regional unterschiedliche Webstühle. Die Ägypter kannten 2000 vor Christus den Hochwebstuhl. Der Gewichtswebstuhl war in Europa von der Jungstein- bis in die Römerzeit in Benutzung.

Vermutlich von den Mauren gelangte der für die orientalische Weberei eingesetzte Lendenwebstuhl im Mittelalter nach Europa. Seine Weiterentwicklung gipfelte 1785 im Patent für den von Edmond Cartwright erfundenen mechanischen Webstuhl, der sich nach 1830 durchsetzte. Der dampfbetriebene „Power Loom“ ersetzte schließlich die bis dato zum Weben notwendige große Anzahl an Arbeitern, wurde zum Teil der industriellen Revolution und machte die Herstellung von Webwaren und Wollkleidung preiswerter.

Mensch webt am Webstuhl
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Was kann man mit Weben herstellen?

Garne händisch zu verweben ist heute nur noch Hobby und Bestandteil der Arbeit von Ergotherapeuten. Damit stärkt man die Feinmotorik von Patienten und Patientinnen.

Durch das Weben lassen sich vielerlei Gewebe herstellen. So verwandelt sich feines Garn in ein schönes Tuch. Ganz klassisch stellte man in vielen Kulturen vor allem wertvolle Teppiche her. Von Hand gewebt, werden sie zu künstlerisch wertvollen Gegenständen. Sogar Tapeten können von Hand gewebt sein.

Gewebter Teppich
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Woher kommt das Häkeln?

Häkeln ist das Bilden und Verknüpfen von Maschen aus Garn wie Baumwollgarn oder zum Beispiel Textilgarn mit einer Häkelnadel zu einem Gewebe.

Geschichte

Wie bei allen Methoden der Wollverarbeitung sind auch für das Häkeln Entstehungsort und -zeit umstritten und wissenschaftlich nicht eindeutig definierbar. Nach heutigem Kenntnisstand entstand Häkeln weltweit annähernd gleichzeitig. Dabei gab man das Wissen von einer Generation zur anderen weiter. Einig ist man sich darüber, dass dies eine recht junge Verarbeitungsmethode von Wolle und anderem Garn ist. Erst 1820 veröffentlichte eine Zeitung in Holland erstmals Häkelmuster.

Frau beim Häkeln
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Zu dieser Zeit nutzte die bürgerliche Mittelschicht die schneller zu fertigende gehäkelte Spitze anstatt der geklöppelten, was die elitäre Bevölkerungsschicht aber strikt ablehnte. Zwischen 1910 und 1930 wurde Häkeln dann gesellschaftsfähig, sodass jede Frau es können musste.

Danach verbot das Modediktat Häkelwaren für Erwachsene. Man häkelte nur noch wohlig weiche Wollkleidung für Babys und Kinder. Während des 2. Weltkriegs löste Stricken Häkeln gänzlich ab, weil der Verbrauch an rarer Wolle dabei geringer ist. Bis heute ist maschinelles Häkeln nicht möglich. Deshalb bleibt diese Art der Verarbeitung von Wolle zu Pullover, Jacke, Mütze, Schal oder Stola reine Handarbeit.

Was kann man mit Häkeln herstellen?

Die Dinge, die man durch diese Handarbeit herstellen kann, sind so vielfältig wie die Garne, die man zum Häkeln finden kann! Kleidungsstücke wie Mützen, Stirnbänder und Babyjacken lassen sich so herstellen. Doch auch Kreativität ist gefragt, denn kleine Amigurumis (gehäkelte Kuscheltiere) sowie Taschen, Kissenbezüge oder Handyhüllen lassen sich dadurch leicht herstellen.

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Woher kommt das Stricken?

Beim Stricken bildet man aus einem endlosen Faden mit Hilfe von zwei oder mehr Stricknadeln eine bestimmte Anzahl an Maschen, die man in Reihen zu einem Gewebe verschlingt.

Geschichte

Wo und wann man das Stricken erstmals praktizierte, ist unklar. Man vermutet, dass die Araber das Stricken über Spanien nach Europa brachten. In königlichen Gräbern Kastiliens gefundene Kissenbezüge aus dem späten 13. Jahrhundert gelten als Nachweis für eine hochentwickelte maurische Strickkultur. Gleich mehrere hochmittelalterliche bildliche Darstellungen zeigen eine strickende Mutter Maria. Das Altarbild „Unsere liebe Frau“ von 1400 gilt als erster Nachweis des Rundstrickens mit einem Nadelspiel.

1268 wird das gewerbliche Stricken erstmals in Paris erwähnt. Der Beruf des Strickers bedurfte einer sechsjährigen Lehre und war ausschließlich Männern vorbehalten, die sich innerhalb Europas in zahlreichen, bald höchst angesehenen „Gilden der Stricker“ zusammenschlossen. Die Nürnberger Hosen- und Strumpfstricker wurden 1600 erstmals in Deutschland genannt.

In Japan und China war das Stricken bis Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts praktisch unbekannt. Nach Japan brachten Ausländer diese Wollverarbeitungsart, die man zunächst für die Herstellung von Handschuhen und Socken für das Militär nutzte. Die zunehmende Anzahl christlich geführter Mädchenschulen machte das Stricken dann in der breiten Bevölkerung publik. In China führte der Import von Strickstrümpfen und gestrickter Unterwäsche zur Strickstrumpfherstellung in Heimarbeit.

Babymütze Bündchen stricken

Mit Entwicklung der Strickmaschine durch Isaac William Lamb und deren Weiterentwicklungen kann man heute Strickwaren in jeder gewünschten Menge und Art weitaus kostengünstiger als von Hand gestrickt herstellen. Handstricken entwickelte sich deshalb zum Hobby, das man vor allem mit Großmüttern in Verbindung brachte.

Anhänger der Flower-Power- und der Anti-Atomkraft-Bewegung begeisterten sich dann wieder für Selbstgestricktes als äußeres Zeichen ihrer Weltanschauung. Seit der Jahrtausendwende erfreut sich Stricken steigender Beliebtheit. Dabei ist die Maschenkunst nicht mehr nur Frauensache. Auch Männer outen sich gern als leidenschaftliche Nadel- und Maschenakrobaten. Heute zählt nicht nur das Endergebnis, sondern der Weg ist das Ziel. Das gleichmäßige meditative Klappern der Nadeln soll den Blutdruck senken, Stress abbauen sowie logisches Denken, Kreativität und Selbstvertrauen steigern.

Was kann man mit Stricken herstellen?

Die Fantasie setzt der Kreativität kein Ende, denn mit Stricken kann man allerhand Dinge herstellen. Ganz klassisch sind warme Pullover, Socken, Schals oder Mützen aus Wolle gestrickt natürlich vorne mit dabei. Doch auch Wohnaccessoires wie Decken oder Kissenbezüge kann man mittels Stricken herstellen. Dafür eigenen sich besonders moderne Garne wie dicke Chunk-Garne, mit denen man die Stücke schnell herstellen kann.

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Handarbeiten heute

Garne zu Kleidung zu verarbeiten hat über Jahrtausende nicht an Wichtigkeit verloren. Zwar hat heute die maschinelle und wesentlich preisgünstigere industrielle Produktion die Oberhand gewonnen, dennoch nimmt die Gemeinde der Liebhaber von Filzen, Weben, Häkeln und Stricken als Handarbeit wieder zu. Denn nur bei selbstgemachtem Gewebe kann man das eingesetzte Garn und seine Gewinnung sowie die kreative individuelle Gestaltung in Farbe und Musterung bestimmen.