« Die Alternative zur Tierwolle »
Streng genommen ist die Bezeichnung „vegane Strickwolle“ ein Widerspruch in sich. Denn nach dem Textilkennzeichnungsgesetz ist Wolle der gesponnene Faden aus dem weichen Unterfell von überwiegend Schafen, aber auch anderen Säugetieren wie Ziege oder Kaninchen. Vegan dagegen bedeutet aus Gründen des Tier-, Umwelt- und/oder Klimaschutzes Verzicht auf alles mit einem tierischen Ursprung. Warum vegane und umweltbewusste Strickfans dennoch nicht auf ihre kreative Lieblingsbeschäftigung mit Nadel und Faden verzichten müssen, verraten wir Dir hier.
Was ist vegane Strickwolle?
Alle Garne, die aus pflanzlichen oder synthetischen Grundsubstanzen hergestellt werden, fallen unter den Begriff „vegane Wolle“. Dabei unterscheidet man reine Pflanzenfasern wie Baumwolle oder Bambus, Kunstfasern, die man aus pflanzlicher Basis gewinnt, wie Viskose, oder rein synthetische Strickwolle wie Polyacryl oder Polyester.
Vorteile von veganer Strickwolle
Immer, wenn Tiere Rohstoffe für eine industrielle Nutzung liefern, geht Produktivität vor Tierwohl. Das heißt, für die Herstellung veganer Wolle müssen keine Schafe, Kaninchen, Ziegen oder Alpakas wegen züchterischer und hygienischer Eingriffe, wegen tierquälerischer Haltungsbedingungen und/oder langen Transportwegen leiden. Den Klimabelastungen durch Methan in der Atemluft insbesondere der wiederkäuenden Wolllieferanten steht die CO2-Bindung Garn liefernder Pflanzen gegenüber. Probleme mit der Entsorgung tierischer Exkremente entfallen bei der Pflanzenzucht ebenfalls.
Allerdings muss man einräumen: vegan bedeutet nicht immer auch gut. Übermäßige Erosionen und Ausbeutung der Böden durch Monokulturen, der Einsatz von Pestiziden sowie Chemieabfälle für die Produktion von Pflanzen- und Chemiefasern wirken sich ebenfalls belastend für Klima und Umwelt aus.
Nicht so sehr im Fokus, doch nicht weniger vorteilhaft ist die Tatsache, dass vegane Strickwolle kein Wollfett enthält. Denn Lanolin, wie man das Wollfett auch nennt, führt bei empfindlichen Menschen nicht selten zu Unverträglichkeits- oder allergischen Reaktionen.
Strickwolle aus Pflanzenfasern
Hier lernst du die gängigsten Pflanzenfasern für die vegane Wollherstellung kennen, damit du schon bald losstricken und häkeln kannst!
Baumwolle
Baumwollgarn – auch als Cotton bezeichnet – fällt wohl jedem Strick- und Häkelfan als erstes unter dem Stichwort „vegane Strickwolle“ ein.
Die seit 6000 vor Christus kultivierte Baumwollpflanze gehört zur Familie der Malvengewächse. Sie wird weltweit in mehr als 70 Ländern mit wechselfeuchten und trockenen tropischen Zonen als Busch oder niedriger Baum angebaut. Aus ihren reifen Fruchtkapseln quellen die stark behaarten Früchte als weiße Watte hervor. Die Ernte erfolgt heute maschinell von den vorab entlaubten Pflanzen. In mehreren Arbeitsschritten wie Egrenierung, Mercerisierung, Kardierung und Kämmen trennt man die Fasern von den Samenkörnern und Fremdkörpern, reinigt sie mehrfach und verbessert die Qualität. Lange Baumwollfasern spinnt man zu Garn, kurze verwendet man zur Herstellung von Zellulose.
Besonders für selbst gehäkelte oder gestrickte, luftige Sommeroutfits ist Baumwolle sehr beliebt, da sie hautfreundlich und temperaturregulierend ist, aber nicht isolierend wirkt und bis zu 20 % Flüssigkeit aufnehmen kann, ohne dem Träger ein Gefühl von Feuchtigkeit zu vermitteln. Gestrickte Baumwollbekleidung ist pflegeleicht, widerstandsfähig und leicht. Als nachwachsender Rohstoff insbesondere in Bio-Qualität schont er Umwelt, Klima und Ressourcen.
Garn aus Bambus
Bambus wächst fast von allein. Sein Anbau braucht keinen Pestizideinsatz, keine künstliche Bewässerung. Wissenschaftlich erwiesen ist seine gute CO2-Bindung. Deshalb gilt Garn aus Bambusfasern als besonders umweltfreundlich. Handgefertigte Unikate aus Bambus begeistern Strickfans durch ihren Tragekomfort und ihre baumwollähnliche Optik. Wegen seiner eher kühlenden Wirkung eignet sich Bambusgarn für wärmende Winterkleidung nur als Beimischung zu Strickwolle tierischen Ursprungs.
Nessel, Lein, Algen und mehr
Da nicht nur Veganer, sondern vermehrt auch um Tierwohl und Umwelt besorgte Strickliebhaber*innen sich für Arbeitsmaterial entscheiden, das nicht aus Massentierhaltung entsteht, wächst auch das Angebot an veganer Strickwolle. Naturgarne ausschließlich aus Bananenpflanzen, Ramie, Flachs, Mais oder Algen gibt es aber nicht im Handel. Man verwendet sie nur als qualitätssteigernde Garnbeimischungen.
Regeneratfasern
Regeneratfasern sind keine Naturfasern, obwohl nachwachsende, natürliche Rohstoffe ihre Grundlage sind. Über aufwendige chemische Prozesse stellt man aus Zellulosederivaten sogenannte Chemiefasern her. Handelsübliche Strickwolle besteht zum Teil ausschließlich aus den chemisch aufgearbeiteten Pflanzenfasern oder man mischt diese tierischen Garnen und Baumwolle bei, um deren Eigenschaften zu verbessern.
Viskose
Für Viskose zersetzt man Zellstoff aus überwiegend Buchen- oder Eukalyptusholz in Natronlauge und vermengt ihn anschließend mit Schwefelkohlenstoff. Die so gewonnene zähflüssige Masse wird über Düsen zu Fasern versponnen. Diese Strickwolle lässt sich leicht und ohne Schwierigkeiten verarbeiten und ist deshalb für Strickanfänger*innen ebenso geeignet wie für Fortgeschrittene. Viskose ist biologisch abbaubar. Sie verleiht jeder handgefertigten Kreation einen angenehm weichen und kühlenden Tragekomfort. Viskosegarn ist atmungsaktiv. Für seine richtige Pflege solltest Du die entsprechenden Angaben auf den Banderolen der Strickwolle unbedingt beachten.
Lyocell
Für die Herstellung von Lyocell – auch als Tencel bekannt – setzt man keine giftigen Lösungsmittel ein. Ebenso positiv wirkt sich der dabei geringe Wasser- und Energieverbrauch aus. Lyocellfasern bieten die Feinheit von Seide, die Reißfestigkeit von Kunstfasern, die kühlende Wirkung von Leinen auch die wohlige Wärme von Tierhaar. Lyocell kann man in der Maschine waschen und ist trocknergeeignet.
Ist synthetische Wolle vegane Wolle?
Wie der Name schon sagt, stellt man Kunstfasern ausschließlich über chemische Prozesse aus Erdöl her. Wegen seiner Endlichkeit, der immensen Eingriffe in die Umwelt bei seiner Förderung und den Belastungen von Atmosphäre und Ressourcen ist dies aber ein sehr umstrittener Rohstoff. Da Polyacryl und Co. nichts anderes als Plastik sind, tragen sie nicht unerheblich zur Problematik von Plastikmüll und Mikroplastik bei. So gibt zum Beispiel ein Kleidungsstück pro Waschgang fast 2.000 Fasern ins Abwasser ab. Synthetische Garne lassen weder einen Temperaturausgleich zu, noch können sie Feuchtigkeit nach außen ableiten, was unangenehmen Schweißgeruch fördert.
Natürlich haben Kunstfasern als Strickwolle auch ihre nicht zu verachtenden Vorteile. Sie sind wesentlich preiswerter als Naturprodukte. Dennoch kann Selbstgestricktes aus Kunstfaser in puncto Weichheit und Kuschelfaktor mit Kleidung aus hochwertiger Tierwolle durchaus mithalten. Im Gegenteil: Naturfasern – tierischen wie pflanzlichen Ursprungs – mischt man zum Teil synthetische Wolle bei, um die Strapazierfähigkeit, Elastizität und/oder Optik zu verbessern. Künstliche Garne lassen sich von Neueinsteigern wie Strick- und Häkelprofis ohne große Schwierigkeiten verarbeiten und – falls nötig – auch wieder auftrennen, ohne, dass die Qualität des Fadens leidet. Last but not least sind chemische Fasern farbfest, formbeständig, reißfest, pflegeleicht und schnell trocknend.
Garne aus Polyester, Polyacryl und Polyamid oder Elasthan haben eindeutig keinen tierischen Ursprung und sind damit vegan. Ob oder inwieweit Kunstfasern aber den ethischen und moralischen Ansprüchen von Veganern oder/und qualitätsbewussten Stricker*innen und Wollliebhaber*innen entsprechen, ist eine individuelle Entscheidung.