Korb mit Wolle und Stricknadeln
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Stricktechniken damals und heute

« Wie sich der Umgang mit Faden und Nadel gewandelt hat »

Erst ein angesehener Männerberuf, dann typische Frauenarbeit, später nur noch angestaubte Beschäftigungstherapie für Omas und heute ein für Frau und Mann erstrebenswerter Lifestyle. Wer stricken kann, erfährt Bewunderung und Anerkennung. Strickanleitungen gedruckt oder online verbreiten das Wissen um alte, regionale oder ganz moderne Stricktechniken und Muster, sodass der Kreativität von Künstler und Künstlerinnen mit Nadel und Garn keine Grenzen gesetzt sind.

Wie alles begann

Wissenschaftler definieren das Stricken als die Fertigung eines Gewebes durch das Verschlingen eines endlosen Fadens zu Maschen mit Hilfe von mehr als einer Stricknadel. Wann und wo das erste Strickwerk der Menschheitsgeschichte entstand, lässt sich wegen fehlender Artefakte nicht genau bestimmen. Man geht davon aus, dass man zunächst mit einer Zwei-Nadel-Technik flächenhafte Gewebe fertigte, dass aber um 1400 bereits auch das Rundstricken mit mehreren Nadeln entwickelt war.

Alte Frau strickt mir zwei Nadeln
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Schiffbrüchige aus Spanien sollen die Verarbeitung von Wolle zu schottischer Buntstrickerei und der irischen Aran-Technik erlernt und in ihre Heimat zurückgebracht haben. Zopfmuster und/oder verschränkt Stricken kommen aber auch in bäuerlichen Strickwaren Osteuropas vor. Im Biedermeier erfuhren Spitzenmuster und Perlenstrickerei hohe Popularität, die man für Babyhauben, Wohnaccessoires, Taschen und Beutel oder zur Verzierung von Strümpfen anwandte.

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in Journalen Anregungen mit Angaben zu geeigneter Wolle und anzuwendender Stricktechnik für warme Unterwäsche, Röcke, Umhänge, Pullover oder Schleiern für den Kirchgang veröffentlicht. Während der beiden Weltkriege ging es vorrangig darum, schnell, ohne Schnörkel und Muster wärmende Kleidung für Soldaten und Bevölkerung herzustellen. Danach wurde handgestrickte Garderobe zwar ständig bunter und raffinierter in der Stricktechnik, jedoch haftete dem Hobby ein Altweiber-Image an.

Strickanleitung Pullover Timona 2611   Strickanleitung Kaputzenponcho Linie 55 und 332

Stricken heute

Obwohl es industriell gefertigte Strickwaren heutzutage in Hülle und Fülle, in jeder modisch gerade angesagten Form und Farbe und zu einem allgemein erschwinglichen Preis gibt, erfreut sich das Handstricken wachsender Beliebtheit bei Jung und Alt, bei Mann und Frau. Dabei hat sich die Einstellung zum Stricken und zum Selbstgestrickten grundlegend geändert.

Stricken bedeutet heute Wohlbefinden. Der gleichmäßigen klappernden Bewegung der Stricknadel schreibt man eine heilende, entspannende, meditative und im krassen Gegensatz zum fordernden Alltags- und Berufsleben stehende Wirkung zu. Doch nicht nur der Weg ist das Ziel; es geht den heutigen Künstlern und Künstlerinnen mit Nadel und Wolle primär nicht um die Anfertigung notwendiger Kleidung. Sie wollen mit außergewöhnlichen Kreationen Bewunderung und Anerkennung zu erhalten. Dafür setzt man gern auch teures, hochwertiges und nachhaltiges Garn wie weiche Wolle oder glänzende Seide ein.

Für moderne Handstricker ist auch wichtig, dass sie schnell Erfolge sehen. Am schnellsten wächst eine Strickfläche beim sogenannten „arm knitting“. Bei dieser Technik verarbeitet man einen besonders dicken Faden mit dem eigenen Arm als Stricknadel zu einem großen Maschenbild.

Frau beim arm knitting mit blauer Wolle
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Die gängigsten Stricktechniken und ihre Eigenschaften

Jede Strickarbeit beginnt mit dem Maschenanschlag. Meist verwendet der Strickfan immer die gleiche Methode, die benötigte Anzahl an Schlingen auf die Nadel zu bringen. Es gibt dafür aber etliche Techniken: Der elastische Kreuzanschlag mit seinen Abwandlungen „doppelt“ und „zweifarbig“ ist in Deutschland weit verbreitet. Das sogenannte Aufstricken eignet sich besonders gut für Anfänger und für die Zunahme von mehreren Maschen zu Beginn oder/und Ende der Strickreihe. Die als italienische oder runde bekannte Anschlagart gibt Bündchen ein professionelles Aussehen. Wer Socken von der Spitze aus stricken möchte, für den ist die türkische Anschlagsmethode die richtige Wahl.

Es ist schon faszinierend, welche Vielfalt an Stricktechniken sich bis heute entwickelt haben, um nach dem Anschlag mit nur zwei Grundmaschen (der rechten und der linken Masche) dem Handgestrickten ein ganz individuelles Aussehen zu verleihen.

Frau beim Stricken - Stricktechniken
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Kraus rechts

Diese Technik ist ideal für Neueinsteiger. Da das Muster beidseitig gleich erscheint, ist es für alle Strickwaren geeignet, deren Vorder- und Rückseite zu sehen ist.

Glatt rechts

Diese wohl am häufigsten genutzte Stricktechnik lässt eine glatte ebene Vorderseite, aber quer gerippte Rückseite entstehen. Dabei wird gern verschiedenfarbige Wolle oder Garn verschiedener Herkunft zur Hervorhebung von Reliefmustern verwendet.

Rippen

Horizontale Rippen entstehen aus dem ständigen Wechsel von rechter und linker Masche. Das Muster wirkt zusammenziehend, was es zum Stricken von Bündchen prädestiniert.

Strickpullover mit Kragen aus Rippen
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Verschränkt stricken

Diese Stricktechnik kommt besonders zum Einsatz, wenn man Maschen zusammenstrickt. Für eine ansprechende Optik der Schräge bei Raglan-Ärmeln oder bei Lochmustern müssen Fadenschlingen verdreht, bzw. verschränkt abgestrickt werden. Auch die eintönige Optik von glatt rechts Gestricktem kann man durch das Einstreuen verschränkter Maschen auflockern.

Patent

Diese Stricktechnik findet für warme, kuschelig weiche Wohlfühljacken und -pullis Verwendung. Da Vorder- und Rückseite in der gleichen Optik erscheinen, ist Patent besonders geeignet für Schals und Decken. Neben den beiden Techniken für das sogenannte Vollpatent gibt es noch das Halbpatent und das falsche Patent. Beim Halbpatent unterscheidet sich das Aussehen von Vorder- und Rückseite. Falsches Patent sieht nur aus wie Patent, wirkt wie ein sehr kompliziertes Muster, ist aber nur eine sehr leicht zu verinnerlichende Mischung aus rechten und linken Maschen. Damit können auch ungeübte Stricker mit Raffinesse glänzen.

 Strickanleitung Halbpatentpullunder 16 Starwool Light - Stricktechniken            LINIE 16 STARWOOL LIGHT von ONline Wolle

Löcher stricken

Sommerliche Baumwoll- und/oder Seidenpullover sind durch Ajourmuster besonders hitzetauglich. Geschickt gesetzte Löcher verleihen aber auch kuscheligen Wollsachen einen aparten Look. Durch eingestrickte Löcher kann man als „Eye-Catcher“ bunte Bänder oder Kordeln in seine Strickarbeit einarbeiten. Lochmuster, auch Ajour genannt, erfordern schon einige Strickroutine. Vor allem sollte man die Zeichen von entsprechenden Strickschriften oder Rapporte lesen können. Strickprofis wagen sich auch gerne mal an den Entwurf eigener Muster und Strickschriften.

Zöpfe

Zöpfe zählen zu den etwas anspruchsvolleren Stricktechniken, die besonders gern bei Trachtenmoden und irischer Aran-Strickerei für eine reliefartige Musterung sorgt. Auch Stirnbänder aus Wolle bekommen gezopft ein ganz besonderes Aussehen. Je nach Art der Maschenkreuzung verläuft der Zopf nach links oder rechts. Noch plastischer erscheinen die glatt rechts gestrickten Zöpfe, wenn man sie in links gestrickte Streifen einbettet.

Es gibt aber nicht nur Stricktechniken, welche das Muster des Strickwerks beeinflussen, sondern auch Techniken, welche die Form bestimmen.

Zopfmuster Stricktechniken
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Rundstricken

Modischer Loopschal, Handschuhe, Mütze oder Socken strickt man rund, im geschlossenen Kreis, damit man den Tragekomfort beeinflussende Nähte vermeidet. Da im Handel spezielle Rundstricknadeln erst ab einer Länge von 40 cm erhältlich sind, verwendet man bei kleinerem Durchmesser ein Nadelspiel. Beim Rundstricken strickt man immer in eine Richtung, die Rückrunde entfällt. Mit einem Bändchen oder Ring markiert man den Rundenbeginn zur besseren Übersicht.

Raglan

Raglan ist eine bestimmte Gestaltung des Armausschnitts. Die Ärmelnaht verläuft linear schräg vom Beginn des Armlochs bis zum Halsausschnitt. Die Schulterpartie arbeitet man dabei mit dem Ärmel. Die Breite (zwei oder mehr Maschen) und Musterung (zum Beispiel Zopf- oder Lochmuster) der Schräge bleibt deiner Kreativität überlassen.